Hauptmenü
Geschichte
Vorwort
Tropfen für Tropfen wird Wasser zu einem seltenen Gut. Zwar regnet und fließt Wasser immer noch nach den Gesetzen der Natur, doch gibt es keinen Bereich mehr, in denen es nicht auch nach den Gesetzen der Marktwirtschaft fließt. Natürliches, trinkbares Wasser ist rar. Daher muss das Wasser aufbereitet werden, um trinkbar zu sein und das ist teuer.
Gar nicht selten ist das vorhandene Wasser jedoch Abwasser und es ist giftig für die Menschen und die Umwelt der Menschen so das es behandelt werden muss, und das ist noch teurer. Nicht nur Abwasser selber ist verschmutzt. Auch das nach den rechtlichen und technischen Anforderungen geklärtes Abwasser verschmutzt unsere Gewässer, diese werden mit Giften kontaminiert und mit Nährstoffen belastet.
Wasserhaushaltsgesetz und Naturschutzgesetz billigen dem Wasser zu, sich nach seinen eigenen Gesetzen entfalten zu dürfen. Die Verhinderung der Gewässerverschmutzung auch durch des Abwassers ist die erste Voraussetzung dazu.
Die steigenden Kosten für Wasser, seine Bereitstellung und seine Entsorgung treffen jeden und betreffen jeden. Viele sind betroffen durch die zunehmende Einsicht in den ökologischen Zustand oder, besser gesagt, Notstand unserer Gewässer und unseres Wassers. Manche sind betroffen durch unmittelbare und drängende Forderungen ihrer Wasserbehörden, ihr Abwasser ordnungsgemäß mit Anschluss an eine Kanalisation und zentrale Kläranlagen zu entsorgen oder eine eigene Behandlungsanlage zu errichten.
In unserer Gesellschaft lassen sich alle Produkte und Leistungen mit Geld vergleichen. So ist die Diskussion um das Abwasser zunächst und für die meisten eine Frage des Geldes. Die individuell zu entrichtende Gebühr nach Verbrauch von Wasser und Entsorgung von Abwasser trifft den Zwangsmieter der Wasseruhr mehr als eine allgemeine Kritik an der Praxis der Abwasserbehandlung.
Die Kritik an den Kosten ist berechtigt, aber nicht fundiert. Das Fundament der konventionellen Abwasserbehandlung liegt aber in ihrer Geschichte. Die Geschichte der Abwasserbehandlung begann mit der Entstehung von Abwasser.
Kulturgeschichte des Wassers
Wasser hat eine Geschichte, eine Naturgeschichte, die den langen Weg beschreibt, den das Wasser seit der Entstehung aus seinen stofflichen Elementen, Wasserstoff und Sauerstoff, zurückgelegt hat, um in heutiger Menge zwischen Himmel und Erde zu kreisen. Der Fluss des Wassers auf der Erde ist der Quell allen Lebens und damit Naturbedingung für die menschliche Existenz. Für die Menschen ist Wasser eines der vier klassischen Elemente. Verheerend wie die Sintflut oder still wie ein Brunnen, zuviel oder zuwenig Wasser, das Resultat war für die Menschen gleichermaßen Hunger. Wie die Menschen sich selber ihr gemeinsames, soziales Schicksal bereiten, so erleidet immer mehr Wasser in seinem natürlichen Fluss menschliche Eingriffe. Wasser ist existentieller Teil der menschlichen Geschichte, Wasser hat auch eine soziale Geschichte.
Wasser wird zu Abwasser
Fließt das Wasser über sieben Stein, ist es wieder rein. Das ist eine alte Bauernweisheit. Wie viele der alten Weisheiten ist auch diese heute nicht mehr ganz gültig: Das Wetter ändert sich zwar immer noch, wenn es nicht so bleibt, wie es ist. Doch wo kräht der Hahn noch auf dem Mist? Das Wasser hat es schlimmer getroffen. Wo plätschert es noch über sieben Stein? Und was da fließt, ist es noch Wasser? Wasser wird zu einer Definitionsfrage, zu Trinkwasser, Abwasser, Brauchwasser...
Reines Wasser ist schon lange nicht mehr selbstverständlich, und das kostbare Nass wird zunehmend kostspielig. Die Entwicklung der Städte als Lebensraum für immer mehr Menschen erforderte immer mehr Wasser. Es floss von selbst aus Gebirgen über weite Strecken in künstlichen Betten und über hohe Aquädukte. Es floss in umgelenkten Strömen, oder es wurde gefördert, getragen und gefahren. Entwickelt wurden die Kunst des Wasser- und Brunnenbaus. Entwickelt wurde auch die Kostbarkeit des Trinkwassers. Wasser bekam Eigentümer, und Wasser bekam einen Preis.
Nach Rom, der Stadt, der Weltstadt, der Millionenstadt, wurden zur Zeitenwende täglich 450 Liter Wasser pro Einwohner hineingeführt. Von dieser gewaltigen Wassermenge verdunsteten oder versickerten 150 Liter je Einwohner ungenutzt. Der Rest, der genutzte Teil, versickerte, wo der Boden es zuließ. So verschwand viel Wasser im Boden der frühen Städte. Was nicht versickern konnte, floss in künstlichen Rinnen oder natürlichen Betten ab. Das urbane fließende Wasser ist im alten Rom wohlgeschieden von den flüssig-festen Exkrementen der zentralen Großlatrinen und der dezentralen häuslichen Aborte. Das abfließende Wasser wurde zu allen Zeiten und bei nahezu allen Kulturen zum Abtritt genutzt. Die wasserbaulichen Werke Roms waren solide gebaut. Sie sind daher heute noch zu besichtigen, wurden aber in ihrer Funktion mit dem Untergang des Reiches zerstört. Zentrale Großlatrinen in sozialer Sitzgemeinschaft (25 Sitzplätze im Halbkreis) sind im europäisch-christlichen Mittelalter unbekannt.
Der Überfluss an Wasser hierzulande machte es leicht, sich seiner persönlichen Notdurft zu entledigen. Fäkalgruben wurden gelegentlich angelegt, wo der Grubenaushub als Dünger genutzt werden konnte. Es gab keine Probleme mit der Reinigung des Inhaltes der Gruben und Latrinen. Die Abfuhr war lizensiert und brachte den Städten Einnahmen. Der Inhalt wurde, um es im heutigen Sprachgebrauch zu sagen, einer landwirtschaftlichen Verwertung zugeführt. Anderswo stapelten sich Abfall, Unrat und Exkremente in den wachsenden Städten an jeder Ecke. Der Geruch wird die Bewohner dieser Städte ebenso wenig gestört haben, wie sich heutzutage die Bewohner Bombays über den süßlich-stechenden Geruch des allgegenwärtig Faulenden und Verwesenden aufregen, nämlich gar nicht. So sehr Stadt und Land auch unterschieden, mit heutigen Verständnis gemessen war die Stadt eigentlich keine Stadt. Im 16. Jahrhundert wurden teilweise weit über die Hälfte des innerhalb der Stadtmauern gelegenen Gebietes durch Gemüse- oder auch Weinanbau genutzt. Teilweise wurden hier pro Einwohner in diesen Gärten 50 kg frisches Gemüse produziert, das ist mehr, als heute pro Kopf konsumiert wird. Der feste Abfall der Städte war begehrt, sein Nutzen von alters her etabliert.
Später musste sich das zunehmend mit mechanischer Energie in die Städte gepumpte Wasser seinen Rückweg über den nächsten Graben selber suchen. Offene Siele oder Gräben, oft natürliche kleine Fließgewässer, die bereits den Abschaum von Wäschereien und Gerbereien, Schlachthöfen und Gemüsemärkten aufnehmen mussten, enthielten in zunehmendem Maße menschliche Exkremente. Die in die Städte transportierten Wassermengen konnten nicht mehr im Boden versickern. Mit der Einführung des »Wasserklosetts« liefen die Fäkalgruben über. Aus den Städten heraus wälzte sich eine trübe, schlammige und faulige Masse durch offene Gräben.
Das Entsorgungssystem war zusammengebrochen.
Zur Unterstützung des Wasserabflusses aus den Städten, deren Bevölkerung während der Industrialisierung explosionsartig angewachsen war, erdachten und schufen zuerst englische Ingenieure die ersten Abwasserkanäle, und es entstand zunächst in England die Kanalisation. Mit ihr sollten die Fäkalien möglichst schnell aus der Stadt hinaus in den nächsten Fluss geschwemmt werden. Damit war der große natürliche Wasserkreislauf im Bereich der Städte kurzgeschlossen. Das Wasser wurde in die Stadt geleitet und floss aus der Stadt schnell ab. Wie der Wasserkreislauf kurzgeschlossen wurde, wurde der Stoffkreislauf unterbrochen. Menschliche Exkremente, die die Nährstoffe des Bodens als abbaubare organische Stoffe enthalten, waren fortan dem Kreislauf, der sie zu Dünger macht, entzogen und erreichte nicht mehr den Boden aus dem sie entstammten und trugen nicht mehr zu seiner Fruchtbarkeit bei.
HUNDERTWASSER nannte die Dinge beim Namen
»Wir begehen Selbstmord. Unsere Städte sind Krebsgeschwüre. Von oben sieht man das ganz genau. Wir essen nicht das, was bei uns wächst, wir holen Essen von weit her, aus Afrika, Amerika, China und Neuseeland. Die Scheiße behalten wir nicht. Unser Unrat, unser Abfall wird weit weggeschwemmt. Wir vergiften damit Flüsse, Seen und Meere, oder wir transportieren sie in hochkomplizierte, teure Kläranlagen, selten in zentralisierte Kompostierfabriken, oder aber unser Abfall wird vernichtet. Die Scheiße kommt nie auf unsere Felder zurück, auch nie dorthin, wo das Essen herkommt. Der Kreislauf vom Essen zur Scheiße funktioniert. Der Kreislauf von der Scheiße zum Essen ist unterbrochen.«
Um die richtige Methode der Stadtentwässerung wurde im vorigen Jahrhundert in Deutschland gestritten. Der Streit bewegte sich einmal darum, ob überhaupt eine Kanalisation eingeführt werden sollte. Als Alternativen gab es technische Kuriositäten, wie die Vakuumtoilette, oder verbesserte Entsorgungs- und Verwertungssysteme der Fäkalien. Die Gegner der Kanalisation argumentierten mit der Rettung des Stoffkreislaufes, allen voran der Entdecker der Pflanzennährstoffkreisläufe, JUSTUS VON LIEBIG Zitat: »Ein jeder Landwirt, der einen Sack Getreide nach der Stadt fährt oder einen Zentner Reps, oder Rüben, Kartoffeln etc., sollte ( ... ) ebenso viel (wo möglich mehr) von den Bodenbestandteilen seiner Feldfrüchte wieder aus der Stadt nehmen, und dem Feld geben, dem er sie genommen hat.« Weitere Argumente waren die folgen des veränderten Wasserkreislaufes, die Verwandlung der Flüsse in Kloaken.
Mit der Erkenntnis eines Zusammenhangen zwischen Armut und Krankheit waren einige Befürworter der Kanalisation mit der Nase auf das Übel gestoßen. Fäulnis und Verwesung konnten für die Pest- und Syphiliswellen des Mittelalters verantwortlich gemacht werden. Es verdichtete vor den wissenschaftlich geübten Nasen die alle bis zum Anbruch des 19. Jahrhunderts die Gerüche der Welt kennen und sortieren gelernt hatten die Gewissheit das Gestank und Krankheit zusammen gehörten. Die Cholera und Typhus bedrohten die Paläste und die Hütten!! Es musste eine Lösung gefunden werden. Für PETTENKOFER hieß das eine konsequente Stadtentwässerung. So wurde auch der Streit der Kanalisationsbefürworter, ob die Kanäle nur das Abwasser (Trennkanalisation) oder auch das Regenwasser mit aufnehmen sollten (Mischkanalisation), zugunsten der wesentlich größer zu dimensionierenden und entsprechend teureren Mischkanalisation entschieden, um sicher zu gewährleisten, dass das Abwasser nicht stagniert. Als »Sanitärtechnologie« wurde ab 1842 die erste Schwemmkanalisation auf europäischem Festlandsboden in Hamburg erbaut. In England führte die durch Schwemmkanalisation bewirkte Überdüngung (Eutrophierung) der Themse 1858 zum Umkippen des Flusses, auch bekannt unter "Great Stink".